Montag, 8. September 2025

 Fakenews wird zu "Genozid" -- manchmal wiederholt sich Geschichte


Ich gehöre nicht zu denjenigen, die mit Worten wie "Lügenpresse" um sich werfen, da ich in den wenigsten Fällen absichtliches Lügen unterstelle. Aber es ist Fakt, dass man bei Themengebieten wie USA, Israel, Krieg und Militär, aber auch Digitales, von den Mainstream-Medien oft schlecht informiert wird, bis hin zur Verbreitung von purer Fakenews. Da bedarf es viel Medienkompetenz, um sich ein objektives Bild zu erstellen. Deshalb schaue ich zu den USA (v.a. speziell auch zu Trump) gerne bei Fox News vorbei, um auch mal die andere Seite der Medaille zu sehen.

Im Fall Israel schaue ich auch gerne Medien wie JNS TV, und hier stieß ich vor kurzem auf dieses Interview mit dem Historiker Danny Orbach[1]. Er erzählte von einem Fall, der sehr gut hier[2] beschrieben ist, und den ich gerne kurz darstellen möchte:

Die Wissenschaftlerin Sarah Zaidi veröffentlichte 1995 eine Studie[3], laut der aufgrund der internationalen Sanktionen hunderttausende irakischer Kinder verstorben seien. Zaidi scheint eine aufrechte Person zu sein, denn sie überarbeitete nach heftiger Kritik ihre Daten, aufgrund denen es eben doch keine signifikant erhöhte Kindersterblichkeit gab[4].

Aber da war es zu spät. Eine skurrile Geschichte nahm ihren Lauf. Die UN und diverse NGOs übernahmen es und legten natürlich mit eigenen, unausgegorenen Berichten und "Studien" nach. Osama bin Laden  bezog sich in seinem "Letter to America" darauf. Die damalige amerikanische Außenministerin Albright bestätigte es indirekt, indem sie sagte, die Sanktionen seien trotz der vielen Opfer notwendig[5]. Und die neue Regierung unter GWB hatte auch wenig Anlass, die Fakenews zu stoppen, denn die Sanktionstoten lieferten einen praktischen indirekten Grund für den Irakkrieg[6].

Und da es jeder übernahm, natürlich auch die meisten seriösen Wissenschaftler und Kommentatoren. So wurde aus einer schlechten Studie eine Fakenews und daraus eine historische Wahrheit. Ich habe es selbst überprüft, indem ich die KI Grok fragte, ob Sanktionen zu hunderttausenden toter irakische Kinder führte. Das bejahte die KI zunächst voll und ganz. Erst nach meinem kritischen Nachfragen gab sie zu, dass es keine harten Beweise dafür gebe, beharrte aber darauf, dass ausreichend andere Hinweise existieren würden. Als ob eine humanitäre Katastrophe mit hunderttausenden toter Kinder ohne harte Beweise sehr plausibel sei. Solche Absurditäten zu erkennen, soweit sind KIs offensichtlich noch nicht. Die meisten Menschen aber wohl leider auch nicht.

Eine ähnliche Entwicklung kann man aktuell mit dem absurden Vorwurf, Israel würde im Gaza einen "Genozid" verüben, erkennen. Das wird inzwischen auch von seriösen Wissenschaftlern nachgeplappert. Ich sehe schwarz.   


[1] https://www.youtube.com/watch?v=ZuU2A9dL6L4

[2] https://psmag.com/news/the-iraq-sanctions-myth-56433

[3] https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S014067369592499X

[4] https://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(05)70470-0/fulltext

[5] https://www.democracynow.org/2004/7/30/democracy_now_confronts_madeline_albright_on

[6] https://www.washingtonpost.com/news/wonk/wp/2013/04/24/george-w-bushs-presidency-in-24-charts

Donnerstag, 31. März 2022

Darf man russische Soldaten in der Ukraine Orks nennen?

Geprägt wurde der Begriff von Vitaly Kim, Gouverneur der ukrainischen Region Mykolajiw. Er ist sehr aktiv in social media und bezeichnet dabei die russischen Truppen gerne als "Orcs". Und viele machen es ihm nach.

Erstmals stolperte ich darüber, als ich einen Tweet sah "What about Orc forces in Dombass and Crimea?". Ich fand den gut und wollte retweeten, fragte mich aber zuerst: Darf man das als anständiger Mensch?

Zweifellos dürfen es Ukrainer wie Vitaly Kim, die tagtäglich dem russischen Terror ausgesetzt sind. Aber die russischen Soldaten sind trotzdem Menschen, die meisten von ihnen sind Wehrpflichtige, die alles andere als freiwillig dort sind, und die man fast auch als Opfer betrachten kann (aber auch nur fast, sie könnten desertieren oder ihre Entsendung verweigern, wie es ja auch einige taten). Menschen als "Orks" zu bezeichnen, ist schon grenzwertig. 

Aber auf der anderen Seite "kämpfen" die Russen in der Ukraine mehr als unmenschlich. Die Bilder aus Mykolajiw, noch viel mehr aus Mariupol, sind unfassbar. Es kommt in unserer komplexen Welt selten vor (mE das letzte Mal der 2. Weltkrieg), dass Gut gegen Böse kämpft. Ukraine gegen Russland ist Gut gegen Böse, und niemand konnte Gut gegen Böse so prächtig darstellen wie J. R. R. Tolkien.

Ich retweetete.

Donnerstag, 1. Oktober 2020

Programmbeschwerde gegen den "Faktencheck" von "Die Anstalt" zu Assange

In diesem “Faktencheck”[1] wurde ganz klar gegen die journalistische Sorgfaltspflicht verstoßen. Mir ist bewusst, dass die Sendung “Die Anstalt” Satire ist, die selbstverständlich weitgehende Freiheiten genießt, und dass hier durchaus Unterhaltung Vorfahrt vor überprüfbaren Fakten haben darf. Wenn aber dazu dann ein “Faktencheck” mitgeliefert wird, dann wird dem Zuschauer suggeriert, dass alle Tatsachenbehauptungen aus der Sendung überprüfbare Fakten zugrunde liegen. Und das geht gar nicht -- jedenfalls nicht wenn es eben oft keine überprüfbaren Fakten sind, sondern sehr oft Unwahrheiten oder bestenfalls unbelegte Theorien, wie ich gleich zeigen werde.


Ein erstes großes Problem ist, dass bei dem “Faktencheck” oft nur auf Medienberichte verlinkt wird. Das sind meist Mainstream-Medien, aber auch die machen Fehler. Ist es wirklich ein überprüfbarer Fakt, wenn eine große Zeitung darüber berichtet? Erschwerend dazu kommt, dass es nicht nur Mainstream-Medien sind, sondern es wird auch unreflektiert Medien wie Telepolis oder Neues Deutschland verlinkt -- und da muss ich schon fragen: Ernsthaft???


Ich will an 3 konkreten und eindeutigen Beispielen zeigen, dass man auf diese Art Unwahrheiten (oder bestenfalls unbelegte Theorien) als “Fakt” verkauft:


  1. 85 Prozent der Einwohner von Alexandria, VA arbeiten bei der National-Security-Community


Wie ich dies las fragte ich mich ernsthaft wie naiv oder verblendet man sein kann, so einen offensichtlichen Unsinn zu glauben und weiter zu verbreiten. Was denkt man sich eigentlich, eine Stadt ganz ohne (oder gerade mal 15%) lokale Administration, Geschäfte, Bildung, Kultur, lokale Industrien, und so weiter und so fort?


Und hier zeigt sich das Problem: Die Zahl 85% ist eine bloße Behauptung von Nils Melzer, die er bei einem Interview aufgestellt hat. Und schwuppdiwupp ist es “Fakt”. 


Bitte rufen Sie die Wikipedia-Seite zu Alexandria, VA[2] auf und lesen Sie das Kapitel “Largest employers”. Ich denke dann gibt es keine weiteren Fragen mehr zu dem himmelschreienden Unsinn “85%”.



  1. Bei den Luftangriffen von Bagdad schossen die Amerikaner angeblich auf einen VAN, obwohl sie darin Kinder vermuteten


In der Sendung “Die Anstalt” wurde das suggeriert:


Das ist es aber nicht, wenn in dem Wagen Waffen vermutet werden. 

Es waren aber zwei Kinder drin. 

Ja, hätte man Kinder drin vermutet, hätte man ja nicht schießen dürfen. 

Der Fahrer war mit seinen Kindern auf dem Weg zur Schule.


Und der “Faktencheck” versucht das mit Tonaufnahmen aus dem Video zu belegen:


Their fault to bring children in to a battle;

dt Übersetzung Ihr Fehler wenn sie die Kinder mitbringen zum Schlachtfeld 


Diese Bemerkung eines Helikopter-Soldaten war aber, NACHDEM Bodentruppen verletzte Kinder in dem VAN entdeckten. Es gibt nicht den geringsten Beleg, dass die Amerikaner absichtlich auf Kinder schossen, oder auch nur welche vermuteten.



  1. “Eine konstruierte Vergewaltigung”


Mehrfach wird von einer “konstruierten Vergewaltigung” oder so ähnlich gesprochen. Und immer wieder beruft man sich dabei auf Nils Melzer (ja, das ist der gleiche Nils Melzer, der denkt in Alexandria, VA arbeiten 85% der Menschen bei der National-Security-Community, siehe Punkt 1). Also wenn ich in einem “Faktencheck” von einer “konstruierten Vergewaltigung” reden würde, also ich glaube mir würde als erstes dazu einfallen, mal mit den betroffenen Frauen zu reden, oder recherchieren wie sie darüber denken. Dazu aber im “Faktencheck”: Nix. Fehlanzeige.


Aber ich helfe gerne. Die beiden Frauen sind ja mehr oder weniger öffentlich. Die eine davon, Anna Ardin, äußerte sich mehrfach auf Twitter, und dabei sehr unmissverständlich hier[3]:


I would be very surprised & sad if Julian is handed over to the US. For me this was never about anything else than his misconduct against me/women and his refusal to take responsibility for this. Too bad my case could never be investigated properly, but it’s already been closed.


“Konstruiert” -- ernsthaft, ZDF?


Die andere, S.W., hat in Schweden die Wiederaufnahme der Ermittlungen angestrengt, nachdem Assange die Ecuadorianische Botschaft verliess[4].


In diesem “Faktencheck” wird also ernsthaft über eine “konstruierte Vergewaltigung” fabuliert, ohne sich auch nur ansatzweise mit dem Standpunkt der beiden betroffenen Frauen auseinander zu setzen. Wie deutlich kann man eigentlich noch gegen die journalistische Sorgfaltspflicht verstoßen, liebes ZDF? Habt ihr auch nur mal ansatzweise darüber nachgedacht, was die Frauen empfinden, wenn ihr über eine “konstruierte Vergewaltigung” spekuliert und das gleichzeitig als “Fakt” verkauft? Das wäre schon als Satire hart an der Grenze, aber als “Faktencheck” geht das überhaupt nicht. Da ist eine Entschuldigung angebracht!



[1] https://www.zdf.de/assets/faktencheck-29-september-2020-100~original?cb=1601489853910

[2] https://en.wikipedia.org/wiki/Alexandria,_Virginia

[3] https://mobile.twitter.com/therealardin/status/1116293000693518338

[4] https://apnews.com/article/a3053bfbb08b45f68bdd22fbc2404a8f