Samstag, 5. Oktober 2019

Die BND-Reform scheint ausgesprochen gelungen
(original gepostet 30.06.2016 auf Google+)


Mit der BND-Reform hatte die deutsche Politik eine ziemlich harte Nuss zu knacken. Einerseits wurde durch die Arbeit des "NSA-Untersuchungsausschusses" schon sehr deutlich, dass die deutsche Auslandsaufklärung nicht auf sicheren rechtlichen Füßen steht (so ist es beispielsweise kaum vermittelbar, warum der BND eine G10-Anordnung "missbrauchen" muss, um an einem deutschen Internetknoten reine Ausland-Ausland Kommunikationen abzufangen). Andererseits musste aber auch sichergestellt werden, dass der BND nicht unnötig oder unverhältnismäßig bei seiner wichtigen Aufgabe, der Auslandsaufklärung, behindert wird (glücklicherweise gibt es innerhalb der Koalition genügend einflussreiche Stimmen, die darauf achten).

Dass der Hauptgrund für die BND-Reform die Schaffung von Rechtssicherheit ist, stellt die Bundesregierung auch in der Begründung eindeutig fest:

"Ziel des Gesetzes ist es insbesondere, eine ausdrückliche Rechtsgrundlage für die Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung vom Inland aus zu schaffen."

Zeitweise (wenn man manchen Presseberichten Glauben schenkte) musste man befürchten, dass sich die Bundesregierung von der "Selektorenaffäre" beeindrucken lässt und hier den BND einschnüren wird. Das geschieht offensichtlich nicht:

(3) Suchbegriffe, die zur gezielten Erfassung von Einrichtungen der Europäischen Union, von öffentlichen Stellen ihrer Mitgliedstaaten oder von Unionsbürgerinnen oder Unionsbürgern führen, dürfen nur verwendet werden, wenn dies erforderlich ist,
1. um Gefahren im Sinne des § 5 Absatz 1 Satz 3 des Artikel 10-Gesetzes zu erkennen und zu begegnen oder
2. um Informationen im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 bis 3 zu gewinnen, soweit ausschließlich Daten über Vorgänge in Drittstaaten gesammelt werden sollen, die von besonderer Relevanz für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland sind.

Ich habe hier ja schon mehrfach argumentiert, dass Selektoren wenig über "Ausspähen" aussagen, dass ein "europäischer Selektor" nicht unbedingt gegen ein "europäisches Ziel" (wobei es sehr wohl legitime europäische Ziele gibt, französische Waffenschieber sind sicherlich ebenso wenig unsere Freunde wie belgische Terroristen) gerichtet sein muss -- und dem wurde in dem Entwurf ganz klar Rechnung getragen, siehe meine Hervorhebung.

Aus dem Entwurf geht auch ganz klar hervor, dass zwischen drei verschiedenen "Arten" von Spionage unterschieden wird:

1. Spionage mit Inlandsbezug (also gegen Deutsche oder hier lebende Ausländer bzw. niedergelassene Unternehmen)
2. Ausland-Ausland Spionage, bei der die Datenerhebung auf deutschem Boden erfolgt
3. Ausland-Ausland Spionage, bei der die Datenerhebung im Ausland erfolgt

Zu 1. wird klar gesagt, dass da der BND seine Finger wegzulassen hat, aber wenn er dennoch unabsichtlich entsprechende Daten erhebt, dass dann sofort gelöscht und/oder die G10-Kommission einzuschalten ist. Bei 2. (das ist eben die bisherige rechtliche Grauzone) muss einerseits das neu zu schaffende "unabhängige Gremium" zustimmen, und andererseits ist das Parlamentarische Kontrollgremium zu unterrichten (die G10-Kommission ist hier außen vor, da es eben keinen Inlandsbezug gibt). Bei 3. stellt das Gesetz klar, dass sich der BND an die gleichen Richtlinien zu halten hat wie bei 2., aber weder muss das "unabhängige Gremium" zustimmen noch das Parlamentarische Kontrollgremium unterrichtet werden. Eine sinnvolle Lösung, finde ich.

Das "unabhängige Gremium" als neu zu schaffende Instanz sieht auch nach einer sinnvollen Reform aus. Ich kritisiere ja schon seit längerem, dass Deutschland (im Gegensatz zu den USA und Großbritannien) keine judikative Aufsicht hat, und hier scheint das "unabhängige Gremium" ein Schritt in die richtige Richtung zu sein. Man wird das wohl noch ein wenig in der Praxis beobachten müssen.

Der Entwurf beinhaltet auch ein paar "Einschränkungen" für den BND, wie beispielsweise dass Wirtschaftsspionage (im Sinne von Industriespionage) verboten wird, oder auch der sogenannte "Ringtausch". Da wird der BND bequem mit leben können, das tat man ohnehin bisher nicht.

Ganz interessant ist das hier -- und das hat mich ehrlicherweise (sehr positiv) überrascht:

§ 15
Automatisierte Datenübermittlung; Speicherung; Prüfung
(1) Die im Rahmen der Kooperation erhobenen Informationen einschließlich personenbezogener Daten dürfen der ausländischen öffentlichen Stelle automatisiert übermittelt werden, wenn
1. vorab durch eine automatisierte Prüfung erkannte
a) Daten nach § 10 Absatz 3 und 4 oder
b) Daten, deren Übermittlung nationalen Interessen der Bundesrepublik Deutschland entgegenstehen würden,
gelöscht wurden und

Wir erinnern uns an die Anhörungen im "NSA-Untersuchungsausschuss" zum Fall "Eikonal". Da machten die Zeugenaussagen deutlich, dass vor der Weitergabe an die NSA alle Daten händig gesichtet wurden, damit man 100% sicher war, dass sich darunter keine deutschen Daten befanden. Nicht zuletzt deshalb waren die Filter derart restriktiv, dass letzten Endes (für die NSA) kaum verwertbare Daten übrig blieb, und das wohl der Hauptgrund war warum die Operation beendet wurde. Hier stellt der Entwurf klar, dass man eben keine 100%ige Sicherheit benötigt, dass gute Filter, Dokumentation, Stichproben und die Zusicherung des Partners, auf Verlangen wieder zu löschen, ausreichende Schutzmaßnahmen sind -- das ist sehr begrüßenswert und versetzt den BND in die Lage, hier wieder sinnvolle Kooperationen mit befreundeten Diensten einzugehen.


Insgesamt muss man feststellen, dass diese Reform sehr gelungen scheint. Ich bin sehr positiv überrascht.

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