Warum speichert die NSA alles, was sie bekommen kann, nicht nur Daten ihrer Ziele?
(original gepostet 15.04.2014 auf Google+)

Viele werden wohl spontan antworten: “Da die NSA Massenüberwachung betreibt!”. Auf der anderen Seite aber wurden bisher schon sehr viele Überwachungsprogramme der NSA veröffentlicht, und alle dienten eindeutig nur der gezielten Überwachung.

Ich versuche diese Frage aus der Sicht eines Netzwerktechnikers zu beantworten:

Teil meiner Arbeit ist die Fehlersuche im Netzwerk. Wenn sich z. B. ein Kunde über sporadische Netzwerkabbrüche beschwert, dann ist die Standard-Vorgehensweise wie folgt: Ich melde mich an dem betroffenen System an (oder einem Router davor) und speichere erst mal sämtlichen Netzwerkverkehr in eine Datei. Dann warte ich darauf, dass der Kunde den nächsten Abbruch meldet, lasse mir die zugehörige Uhrzeit geben und suche dann in der Datei nach den Gründen für den Abbruch.

Ich mache dies aus zwei Gründen:
1. Es ist einfacher für mich, erst mal einfach alles zu speichern, als mir vorab schon überlegen zu müssen, welcher spezifische Netzwerkverkehr für die Fehlersuche relevant ist.
2. Stelle ich während der Fehlersuche fest, dass ich noch zusätzliche Daten benötige, dann habe ich die einfach schon, und muss die Messung nicht von vorne beginnen.

Meines Erachtens hat die NSA ganz ähnliche Gründe:
1. Es ist technisch wesentlich einfacher, erst mal alles zu speichern, als schon während der Speicherung alles durch aufwendige Filter laufen zu lassen.
2. Durchsucht die NSA den Datenverkehr nach Verdächtigen, und ergeben sich daraus neue Verdächtige, dann haben sie die zugehörigen Daten einfach schon.

Zurückkommend auf meine Fehlersuche im Netzwerk: Ich muss natürlich nicht so vorgehen. Habe ich einen Kunden, der sehr auf Datensicherheit bedacht ist, und es nicht will, dass ich auch nur temporär mehr Daten habe, als es für die Fehlersuche unbedingt notwendig ist, dann kann ich auch anders vorgehen: Erst mal nur die Daten speichern, von denen ich denke, dass sie für die Fehlersuche relevant sind. Stelle ich dann fest, dass mir noch etwas fehlt, wiederhole ich die Messung, solange bis ich alles habe und der Fehler gefunden ist. An’s Ziel führt dieser Weg auch. Er dauert halt länger und ist aufwendiger, und damit für den Kunden teurer, und der Fehlerzustand dauert länger an.

Nun könnte man ja sagen, dann soll die NSA das genauso tun.
Aber: Da sprechen zwei gute Gründe dagegen.

Erstens, ein Unterschied zu meiner Fehlersuche ist, dass der Fehler nicht von alleine weggeht. Ich habe also Zeit. Verdächtige aber können jederzeit verschwinden oder Kommunikationen beenden.

Zweitens, warum soll es der amerikanische Steuerzahler hinnehmen, dass die Arbeit der NSA ineffektiver und teurer wird, nur damit im Ausland die Privatsphäre möglichst perfekt geschützt wird? Kein Land, kein Geheimdienst kümmert sich um die Privatsphäre im Ausland. Auch der BND nicht, wenn er z. B. massenhaft Daten von Afghanen erhebt.

Im Inland verbietet man solche Datensammlungen mit gutem Grund. Denn nur der eigene Staat hat wirklich Macht über seine Bürger, und hier gilt es vorzubeugen, dass der Staat auch nur in Versuchung kommt, die Daten zu missbrauchen. Diesen Grundsatz aber auch auf Auslandsaufklärung ausweiten zu wollen, ist einfach nur unglaublich naiv. Niemand wird das tun, nicht die Russen, die Chinesen, die Amerikaner -- und auch wir nicht. Die eigene Auslandsaufklärung einseitig zu schwächen und verteuern, während alle anderen wie gehabt weiter machen, hielte ich für ausgesprochen dumm.