Samstag, 5. Oktober 2019

Die vielen Missverständnisse bei der Berichterstattung zu "Apple vs. FBI"
(original gepostet 29.03.2016)


Vier der offensichtlichsten Missverständnisse, die derzeit durch die Medien kursieren …


1. "Das FBI war nicht ehrlich mit der Aussage, es könne das iPhone nicht entsperren"

So oder so ähnlich liest man es derzeit oft. Und hier scheint mir, dass da einfach -- wie so oft -- unkritisch Snowden nachgeplappert wird[1]. Von ihm stammt die Behauptungen, "alle ernstzunehmenden Experten" würden die ganze Zeit schon sagen, dass das iPhone knackbar sei, und deshalb würde das FBI schlicht lügen.
Aber wie sehen denn die Fakten aus? Bisher konnte noch keiner der "Experten" (BTW, wer außer Snowden behauptete das eigentlich?) erklären, wie das iPhone denn nun tatsächlich entsperrt wurde. Es ist bisher nicht einmal klar, ob es ein hardwarebasierender, forensischer Ansatz ist, oder ein softwarebasierender. Nur eines scheint klar: Es scheint ein sehr anspruchsvoller, ausgeklügelter Exploit zu sein.
Warum kann man nicht von der einfachsten Erklärung ausgehen (die erfahrungsgemäß auch meistens die zutreffende ist)? Dass das FBI eben tatsächlich keine Idee hatte, wie das iPhone zu entsperren sei, und dass sie durchaus auch bei Spezialfirmen nachhörten, und von denen auch keine helfen konnte, und dass dann -- wahrscheinlich hauptsächlich aufgrund der weltweiten, öffentlichen Aufmerksamkeit -- alle möglichen Leute und Firmen anfingen nach Exploits zu suchen, der dann tatsächlich einer israelischen Firma gelang, die sich dann an das FBI wandte. Und danach musste das FBI einfach einen "Rückzieher" machen, denn der All Writs Act ist eben ausdrücklich nicht anwendbar, wenn es andere Wege gibt, einen Gerichtsbeschluss durchzusetzen. Ist in dieser einfachen Erklärung einfach zuwenig unterschwellige antiamerikanische Verschwörungstheorie drin?


2. "Auf dem iPhone des Terroristen Farook befinden sich eh keine brauchbaren Daten"

Schon witzig, auf welche Ideen Hobby-Kriminologen so alles kommen. Also wenn neben einem toten Terroristen sein iPhone gefunden wird, dann wäre es für mich auch das absolut naheliegendste, alles daran zu setzen dieses iPhone auch zu entsperren. Egal ob sich tatsächlich etwas brauchbares darauf findet oder nicht, hier nicht alle Möglichkeiten auszuschöpfen wäre vom FBI in höchstem Maße unverantwortlich.


3. "Das FBI machte aufgrund des öffentlichen Drucks einen Rückzieher"

Wer so etwas behauptet, hat nicht einmal ansatzweise verstanden, wie amerikanische Bundesbehörden ticken. Ein kluger Mensch sagte mal "die Deutschen haben die Bürokratie erfunden, die Amerikaner haben sie perfektioniert!". Und da ist viel wahres dran, das FBI ist vor allem eines: höchst bürokratisch (wie nebenbei die NSA auch, und das wurde auch von vielen in der "Snowden-Debatte" sträflich missachtet). Nie im Leben würde sich das FBI von subjektiven Dingen wie "öffentlicher Druck" beeinflussen lassen, selbst wenn es diesen tatsächlich so gegeben hätte.
Davon abgesehen kann aber eben von so einem "öffentlichen Druck" in keinster Weise die Rede sein. Wenn sich auch die Technologie-Industrie und -Presse bei diesem Thema weitestgehend einig war und hinter Apple stand, so spricht das nach lange nicht für die Allgemeinheit. Und nicht zuletzt machte sich auch Obama selbst vor gerade einmal zwei Wochen bei seiner vielbeachteten SXSW Keynote für den Standpunkt des FBI stark.


4. "Das FBI machte einen Rückzieher aufgrund der Befürchtung, vor Gericht zu verlieren"

Auch das ist eine sehr seltsame Wahrnehmung. Bis vor dem "Rückzieher" des FBI gingen -- zumindest meiner Wahrnehmung nach -- die meisten Rechtsexperten davon aus, dass das FBI diesen Fall gewinnen wird.


Aber wie geht es weiter? Ich denke, da muss man erst abwarten. Aber hier liegen wohl die meisten Beobachter richtig: Das iPhone des San Bernardino Terroristen war ein relativ veraltetes 5C. Neuere iPhones haben noch weitergehende Sicherheitsfeatures, vor allem durch die Einführung des "Secure Enclave". Es werden wohl iPhones gefunden werden, die dann tatsächlich nur mit Hilfe von Apple entsperrbar sind. Und dann ist der All Writs Act wieder anwendbar. Der Showdown scheint also nur aufgeschoben, nicht aufgehoben.

Spannend ist auch, wie sich Apple weiter verhalten wird. Auf der einen Seite hat dessen "unknackbar-Nimbus" nun eine deutliche Delle erhalten, aber auf der anderen Seite war hier schon ein ganz erheblicher Aufwand notwendig, um ein relativ altes iPhone zu entsperren. Genaueres wird man hier wahrscheinlich erst sagen können, wenn Details über den Exploit bekannt sind. Vermutlich wird das "Wettrennen" zwischen Apple und dem FBI weitergehen, bis (hoffentlich) der amerikanische Gesetzgeber eingreift und Hersteller dazu verpflichtet, ihre eigene Verschlüsselung umgehen zu können. Das wäre für alle Seiten das Beste -- vorausgesetzt man hat sich von der Snowden-Hysterie gelöst.


[1] https://twitter.com/Snowden/status/714580910448971776

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