Samstag, 5. Oktober 2019

Meine Antwort an Correctiv: Warum man sich als seriöser Journalist nicht unreflektiert auf Glenn Greenwald beruft, auch nicht wenn es um böse US-Drohnen geht
(original gepostet 13.03.2016 auf Google+)


Da die 140 Zeichen bei Twitter nicht ausreichen, hier meine Antwort auf diesen Tweet[1].

Der erste Punkt ist -- auch wenn es ad-hominem klingen mag -- in der Person Glenn Greenwald begründet. Greenwald war hauptverantwortlich für einen Großteil der falschen und irreführenden “Snowden-Berichterstattung”. Um zwei Beispiele hervorzuheben: Greenwald war maßgeblich beteiligt an den Fehlinterpretationen zu “PRISM” und “BOUNDLESSINFORMANT”. Ersteres führte zu der falschen Behauptung, die NSA hätte einen “direkten Zugriff” auf die Server von Google & Co., zweiteres zu der falschen Behauptung, die NSA würde eine “millionenfache Überwachung in Deutschland (und anderen europäischen Ländern) betreiben”. Beides stellte sich im Nachhinein als völlig falsch heraus (Details siehe in meiner Liste der “falschen und irreführenden Snowden-Enthüllungen”[2], die noch wesentlich mehr Punkte umfasst).

Der entscheidende Punkt ist hier aber nicht die Fehler. Fehler passieren, vor allem bei einem derart (rechtlich und technisch) komplexen Thema, und bei der Interpretation von Dokumenten, die nie für Personen außerhalb der Geheimdienste geschrieben wurden, und die zu einem großen Teil aus vereinfachenden PowerPoint-Folien bestanden. Das Problem mit Greenwald ist sein Umgang mit diesen Fehlern, die er bis heute nicht richtig stellte. Seriöser Journalismus aber stellt Berichte richtig, wenn ernsthafte Zweifel daran aufkommen oder sie sich gar als völlig falsch heraus stellen. Und das zeigt ganz eindeutig, dass es Greenwald nicht um sachlich korrekten Journalismus geht, sondern um Ideologie.

Und für mich ist alleine schon das unverzeihlich, wenn Correctiv unreflektiert einen Tweet retweetet, der einen Artikel von Greenwald mit “Die Absurdität des US-Drohnenkriegs und die Argumente seiner Apologeten auf den Punkt gebracht” kommentiert. Selbst wenn Greenwald in dem Fall tatsächlich sauber recherchiert und Fakten auf den Punkt gebracht hätte (was er nicht tat, dazu unten mehr), hätte ich von Correctiv erwartet, dass sie zumindest darauf hingewiesen hätten, dass Greenwald kein objektiver Journalist ist, sondern ein Aktivist mit politischen Zielen(*). Das hätte in etwa so lauten können: “Wir sind uns bewusst, dass Greenwald kein unparteiischer Journalist ist, haben uns hier aber von der Richtigkeit seiner Argumente überzeugt”. Das tat Correctiv nicht, deshalb sind die bei mir raus, denn ich kann niemanden als seriöse journalistische Quelle annehmen, der in einem so krassen Fall nicht zwischen Aktivismus und Journalismus differenzieren konnte.

Nun noch zu meiner inhaltlichen Kritik, weshalb ich Greenwald’s Artikel als “ideologisch” und “faktenresistent” bezeichne:

Als ersten Punkt, da dies so schön an das bisher gesagte anschließt: Greenwald verweist auf einen “Enthüllungsbericht” seiner eigenen Platform The Intercept, “The Drone Papers”[3]. Grundlage des Berichts sind top secret Dokumente, die dem Intercept durch einen anonymen “Whistleblower” zugespielt wurden, und ein Großteil der in dem Artikel aufgestellten Behauptungen beruht auch einzig auf den Aussagen des “Whistleblowers”. Dass auch hier die geleakten Dokumente falsch und irreführend interpretiert wurden, und dass die Aussagen des “Whistleblowers” mit Vorsicht zu genießen sind, wurde sehr überzeugend von Christine Fair erklärt[4]. Nebenbei gesagt präsentiert sich der anonyme “Whistleblower” sehr ähnlich wie Ed Snowden, und da keines “seiner” Dokumente nach Snowden datiert ist, ist nicht auszuschließen dass es sich tatsächlich auch um Snowden handelt.

Dann argumentiert Greenwald, dass sich die USA eigentlich gar nicht mit der Terrororganisation Al-Shabaab im Krieg befinden, und kramt als Beleg einen New York Times Artikel von 2011(!) aus, in dem die US-Regierung zitiert wird, dass man nicht alle(!) Al-Shabaab Mitglieder als legitime Ziele betrachte. Absurder geht’s kaum. Um wen es sich bei Al-Shabaab handelt, da kann man als Einstieg nur den Wikipedia-Artikel[5] empfehlen.

Und spätestens bei dieser “Perle” vergeht mir jede weitere Lust, auf den absurden Fanatismus von Greenwald näher einzugehen:

(4) the complete normalization of the model whereby the U.S. president kills whomever he wants, wherever he wants, without regard for any semblance of law, process, accountability, or evidence.

“Whomever he wants” usw. Völliger Quatsch, völlig unbelegt, völlig entgegen der bekannten Fakten. Antiamerikanischer Bullshit. Ideologisch und faktenresistent. Eure künftigen Retweets sehe ich glücklicherweise nicht mehr, Correctiv.


(*) Natürlich ist mir bewusst, dass hier die Übergänge fließend sind, und ich will keineswegs kritisieren, dass Journalisten politische Überzeugungen haben und diese auch in ihre Arbeit einfließen lassen. Aber bei aller Liebe, bei Greenwald gibt es keine fließenden Übergänge, über die man sich Gedanken machen müsste. 

[1] https://twitter.com/correctiv_org/status/708796837495496704 
[2] https://plus.google.com/+RolfWeber/posts/jmKrp4F75sg 
[3] https://theintercept.com/drone-papers/ 
[4] https://www.lawfareblog.com/drone-papers-intercepting-nonsense 
[5] https://de.wikipedia.org/wiki/Al-Shabaab_(Miliz) 

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