Samstag, 5. Oktober 2019

Ein Selektor sagt wenig über "Ausspähen"
original geposte 09.11.2015 auf Google+)


Ich muss gestehen, einerseits erfüllt mich die jüngste Berichterstattung über vermeintliche Spähaktionen des BND mit etwas Schadenfreude. Nicht wegen dem BND -- dieser hat sich bisher in einem erstaunlich guten Licht präsentiert --, nein, sehr viele Leute aus der Politik und den Medien, aber auch unter der Bevölkerung, waren nach den Snowden-"Enthüllungen" sehr schnell dabei, mit dem Finger auf die USA zu zeigen. Und das rächt sich nun. Es zeigt sich immer deutlicher, dass die Geheimdienste der meisten westlichen Demokratien ähnlich arbeiten, und auch ähnliche rechtliche Grundlagen haben. Nichts ist bei den USA grundsätzlich anders als in anderen westlichen Demokratien.

Aber auf der anderen Seite ist auch hier die Berichterstattung falsch und irreführend. Es ist nun mal so, dass den USA 1.7 Millionen (oder so) geheime Dokumente gestohlen wurden, und dass darunter auch sehr viele Peinlichkeiten sein müssen, das war von Anfang an klar. Spionage ist nun mal ein schmutziges Geschäft. Notwendig, aber schmutzig. Und so wurde auch in der Tat nachgewiesen, dass die USA "Freunde ausspähten". Merkel und andere wurden ganz gezielt überwacht, und in der Zwischenzeit wurden auch angefertigte Dossiers veröffentlicht.

Dergleichen wurde dem BND bisher in keinster Weise nachgewiesen. Nicht, dass ich es ihm nicht zutrauen würde, es würde mich wenig wundern, wenn auch beim BND Dossiers über "Freunde" angelegt wurden. Das ist nun mal sein Job. Der BND hat sich von Deutschen und in Deutschland lebenden fernzuhalten, aber ansonsten sollte er möglichst viele Informationen darüber gewinnen, was die Bundesregierung außenpolitisch interessieren könnte. Nur -- das ist nun mal Spekulation. Niemand weiß bisher, wen der BND tatsächlich ausspionierte.

Die Selektoren, auf denen sich die ganzen "Enthüllungsberichte" stützen, werden in der öffentlichen Diskussion unglaublich überbewertet. Sie sind aber letztlich nichts anderes als technische Merkmale, nach denen ein Datenstrom gefiltert wird. Mithilfe der Selektoren wird am Ende des Tages nichts anderes getan als eine Datenbank aufzubauen, mit dem Ziel, dass erstens in dieser Datenbank möglichst nichts ist das man rechtlich eigentlich nicht haben darf, und zweitens dass es möglichst wahrscheinlich ist, dass ein möglichst hoher Anteil der Daten nachrichtendienstlich interessante Informationen beinhaltet. Wir dürfen nicht vergessen, dass auch wenn nur ein sehr geringer Teil der weltweiten Kommunikationen tatsächlich abgegriffen werden, auch nach den diversen Selektionen immer noch gigantische Datenmengen übrig bleiben. Und in dieser "gigantischen Restmenge" suchen dann die Analysten des BND. Wahrscheinlich wiederum auch mithilfe von Selektoren, aber das sind dann andere Selektoren, über die bisher noch überhaupt nichts bekannt wurde. Niemand weiß bisher, wen der BND tatsächlich ausspähte. Dass der BND, wie vom SPIEGEL behauptet, "systematisch Freunde ausspähte" ist jedenfalls bisher eine völlig unbelegte Spekulation.

Und es ist bisher auch nicht bekannt, nach welchen Kriterien ein Selektor entsteht. Wenn beispielsweise bekannt wird, dass sich die Email-Adresse des französischen Präsidenten unter den Selektoren befand, dann gibt es für die skandalisierende Presse keine andere Erklärung als dass dieser ausspioniert werden sollte. Dabei sind zig andere Erklärungen denkbar, beispielsweise dass man vermutet dass Terroristen einen Erpresserbrief dorthin schicken wollen und man gerne dessen Inhalt kennen würde. Eine Kommunikation besteht nun mal immer aus mindestens zwei Teilnehmern, das wird durch die Skandalierer gerne vergessen -- und es ist bisher völlig unklar, wen der BND tatsächlich ausspähen wollte: "Den Selektor" oder dessen Kommunikationspartner.

Und dass sich Internetdaten aus Krisengebieten -- worum es in Bad Aibling vornehmlich geht -- kaum zu einem "Ausspähen unter Freunden" eignen, das erläuterte ich bereits hier:

https://plus.google.com/+RolfWeber/posts/fUeaHzeGbgi

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen