Sonntag, 6. Oktober 2019

Warum der Vergleich zwischen Krim-Annektion und dem Irakkrieg eine Nebelkerze ist
(original gepostet 08.12.2014 auf Google+)


Wenn Putinversteher auf die Annektion der Krim angesprochen werden, reagieren sie oft mit einer Nebelkerze, in etwa so: “Der Westen ist heuchlerisch, schließlich überfallen die auch unprovoziert andere Länder, siehe beispielsweise den Irak-Krieg”.

Dieses “Argument” ist in zweierlei Hinsicht falsch. Zuerst, selbst wenn es stimmen würde, dass der Westen unprovoziert andere Länder überfällt, rechtfertigt das in keinster Weise das russische Vorgehen auf der Krim. Man kann die Ukraine kaum für den amerikanischen Einmarsch im Irak haftbar machen.

Aber der Vergleich ist auch sachlich unhaltbar. Aus mehreren Gründen:

Erstens, und das ist wohl auch der wichtigste Unterschied, wurde der Irak-Krieg nicht mit einer völkischen Begründung zwecks Gebietsgewinn geführt. Die Annektion der Krim dagegen ist ein Vorgang, den man in Europa in solcher oder ähnlicher Art seit dem zweiten Weltkrieg nicht mehr kannte. Ein anderes Land mit völkischer Begründung zu überfallen, und sich dann Teile davon einzuverleiben, ein solches Verbrechen gab es jedenfalls seitens einer westlichen Demokratie seither noch nie.

Zweitens wurde der Irak-Krieg nicht völlig unprovoziert geführt. Saddam Hussein war erwiesenermaßen ein aggressiver Diktator, der ständig gegen die Waffenstillstandsvereinbarungen verstieß. Russland dagegen griff die Ukraine völlig unprovoziert an, weder Russland noch Russen noch andere Menschen in der Region waren in irgendeiner Form bedroht.

Drittens verstieß die Annektion der Krim ganz eindeutig gegen das Völkerrecht. Bis heute gibt es keine Begründung, mit der das russische Vorgehen ernsthaft völkerrechtlich zu rechtfertigen ist. Der Einmarsch im Irak dagegen ist völkerrechtlich umstritten. Die Amerikaner begründeten ihn mit der Wiederaufnahme der Kriegshandlungen, da der Irak gegen die Waffenstillstandsvereinbarungen von 1991 verstieß, und mit der UN-Resolution 1441. Es ist zwar richtig, dass die meisten deutschen Völkerrechtler das anders sehen, aber beispielsweise Bruno Simma zeigte zumindest Verständnis für die amerikanische Position (1).

Viertens war der Irak-Krieg kein amerikanischer Alleingang. Selbst wenn es kein UN-Mandat gab (zumindest kein eindeutiges), so war es doch eine multinationale Koalition aus ca. 40 Ländern, die im Irak einmarschierte. Die Annektion der Krim dagegen war ein nationalistisch geprägter, russischer Alleingang.

(1) Siehe Interview in der Zeit: http://www.zeit.de/politik/tacheles/interview_270103

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