Samstag, 5. Oktober 2019

NSAUA Jahresrückblick 2015
(original gepostet 30.12.2015 auf Google+)


Mein Fazit für das Jahr 2015. Ich verfolge den “NSA-Untersuchungsausschuss” seit Anbeginn mit großem Interesse und schrieb hier auch schon einiges dazu. Dabei wurde mir oft vorgehalten, dass ich die Ausschussarbeit nicht richtig beurteilen könne, da ich noch nie bei einer Sitzung dabei war. Da ist sicher etwas dran, live dabei zu sein gibt sicher noch mehr Eindrücke (Berlin ist für mich einfach zu weit weg, und extra Urlaub zu nehmen und Flug und gegebenenfalls Unterkunft zu zahlen, da hört die Liebe auf -- die Snowden-Hoax ist nun mal nur ein Hobby für mich), aber Tweets, Liveblog, Presseberichte und nicht zuletzt auch die von Wikileaks unautorisiert veröffentlichten offiziellen Transkripte sind mE eine hinreichende Grundlage. Auf der anderen Seite nehme ich für mich in Anspruch, ein wesentlich besseres technisches Verständnis zu haben als die allermeisten der “NSAUA-Journalisten”. Und ich bin unvoreingenommen und gehe nicht mit der Erwartungshaltung in die Analyse, dass BND-Mitarbeiter nichts besseres zu tun haben als möglichst erfindungsreich Gesetze zu umgehen und unschuldigen Bürgern hinterher zu spionieren. Meine Annahme ist eher, dass das Beamte und Angestellte sind, die wie andere Mitbürger auch arbeiten um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, die dabei auch ihre Arbeit so gut wie möglich machen wollen und wenig Lust verspüren, ihre Karriere mit illegalen Aktivitäten zu riskieren. Natürlich passieren wie überall Fehler und Missbräuche (die man entsprechend unterschiedlich bewerten muss, dazu unten mehr), aber ich gehe nicht im Vorhinein davon aus, dass sie die Regel sind, wie es viele, immer noch von den Snowden-Lügen geblendete NSAUA-Journalisten tun.

Fangen wir den Rückblick von hinten an, der jüngsten Meldung dass drei BND-Mitarbeiter (laut den Berichten alle aus der Abteilung technische Aufklärung) aufgrund der “Selektorenaffäre” strafversetzt wurden. Überraschend kam diese Nachricht allerdings nicht, hatte das Kanzleramt den BND doch einige Male recht deutlich kritisiert.

Doch was ist davon zu halten?

Aufgrund der bisher öffentlich bekannten Fakten sind diese “Bestrafungen” nicht nachvollziehbar -- und nur anhand von diesen kann ich urteilen. Insofern ist das folgende natürlich mit Vorsicht zu genießen. Ich kann nun mal nicht wissen, ob die Strafversetzungen tatsächlich berechtigt sind aufgrund öffentlich bisher nicht bekannten Fakten, ob sie ein Resultat des Unverständnisses darüber sind, welche Bedeutung Selektoren tatsächlich haben, oder ob sie ein Ergebnis "taktischer Spielereien" sind. Über ersteres und letzteres könnte ich eh nur spekulieren, deshalb werde ich mich hier auf die zweite Möglichkeit beschränken: Das allgemeine Unverständnis über die Bedeutung von Selektoren. Dazu hatte ich auch bereits detailliert geschrieben:

https://plus.google.com/+RolfWeber/posts/2jDPiEGbqeU

Es ist nun mal nicht so, dass ein Selektor bedeutet, dass die dazugehörende Person oder Organisation ausgespäht wird. Das wird zwar oft deckungsgleich sein, muss aber nicht. In dem verlinkten Artikel brachte ich ein (fiktives) Beispiel, es ließen sich beliebige weitere konstruieren. Z. B. wenn der BND feststellte, dass im Ausland entführte Deutsche vorher auffallend oft mit "Ärzte ohne Grenzen" in Kontakt waren, dann wäre es absolut legitim, wenn ein entsprechender Selektor generiert wird. Das hieße im Umkehrschluss nicht, dass “Ärzte ohne Grenzen” ausgespäht wurden. An einer Kommunikation sind nun mal immer (mindestens) zwei Partner beteiligt, und niemand kann aufgrund eines bloßen Selektors wissen, ob der BND an der zugehörigen Person interessiert war oder an einer anderen, von der der BND annahm, dass sie in Kontakt mit dieser treten wird. Im Inland wäre eine solche Herangehensweise natürlich nur in äußersten Extremfällen denkbar, aber bei Auslandsspionage gelten (aus gutem Grund) andere Spielregeln.

Es fehlt demzufolge bei der Berichterstattung über die "faulen Selektoren" ein ganz wesentliches Element, das zur Beurteilung aber immens wichtig wäre: Es ist weniger wichtig, welcheSelektoren genutzt wurden, sondern vor allem auch warum. Nur wenn man das weiß, kann man beurteilen ob es völlig legitim war, oder ob ein Fehler oder gar ein Missbrauch vorlag. Irgendwie erinnert das an die "Snowden-Berichterstattung", wo viel darüber spekuliert wird, was alles an Missbrauch denkbar wäre, aber bis heute nicht einen einzigen Fall von tatsächlichem Missbrauch aufdecken konnte.

Es ist die Rede davon, dass “der BND unrechtmäßig und nicht auftragskonform eine Vielzahl an Zielen in EU- und Nato-Staaten ausgeforscht habe”. Aber nochmals, woher kommt diese Erkenntnis? Lediglich anhand der Selektorenliste, so wie ich befürchte? Oder spähte der BND tatsächlich z. B. EU-Institutionen aus und legte Dossiers über diese an? Das hätte dann tatsächlich das Zeug zu einem Skandal, aber was sollte die Motivation für BND-Mitarbeiter sein, unautorisiert EU-Institutionen auszuspähen? Das macht keinen Sinn. Genauso wenig macht es Sinn, dass das Kanzleramt diese Spionage beauftragte, denn ein zu erhoffender Informationsgewinn stünde in keiner Relation zu dem immensen Schaden, wenn es auffliegt. Und was erhoffte man sich überhaupt an Informationen? Wir dürfen nicht vergessen, dass wir hier über Bad Aibling und Internetdaten aus Krisengebieten reden. Das macht alles wie gesagt keinen Sinn, wesentlich wahrscheinlicher ist dass die BND-Mitarbeiter ganz normal ihrer Arbeit nachgingen, und jetzt im Nachgang die Bedeutung von Selektoren völlig überbewertet wird.

Dann ist auch von “unrechtmäßig” die Rede. Aus den NSAUA-Sitzungen ging eindeutig hervor, dass nicht nur der BND, sondern auch das Kanzleramt zumindest in der Vergangenheit die Rechtsauffassung vertrat, dass EU-Ausländer (sofern sie sich nicht in Deutschland aufhalten) keinen G10-Schutz genießen. Möglicherweise sieht das Kanzleramt das inzwischen anders, aber man kann dann ja wohl nicht heute dem BND vorhalten, dass er früher, unter anderen Voraussetzungen, anders handelte.

Weiter hieß es, in Einzelfällen seien auch deutsche Staatsbürger ausgespäht worden. Aber auch hier: Bezieht sich das "Ausspähen" lediglich darauf, dass sich "deutsche Selektoren" auf der Liste befanden, oder sind tatsächlich Deutsche ausgespäht worden? Wobei man das hier schon ein wenig strenger sehen muss, denn eigentlich ist es dem BND untersagt, auch nur "deutsche Daten" zu sammeln.
Aber dennoch muss man die Frage stellen, ob der BND absichtlich "deutsche Selektoren" nutzte, oder ob es lediglich ein Irrtum war -- man kann im Internet nun mal nicht zuverlässig zu 100% "deutsche" von "ausländischen" Selektoren unterscheiden. Und wie ging der BND damit um, nachdem ihm der Irrtum auffiel? Entfernte er dann den entsprechenden Selektor, passte sein Filtersystem an und löschte alle unrechtmäßig erhobenen Daten, oder tat er das nicht? Nur wenn er es nicht tat, war es ein Fehlverhalten.
Oder ging es bei diesen Fällen um die vieldiskutierte "Funktionsträgertheorie"? Dann ist es wie oben mit dem EU-Ausland, man kann dem BND ja wohl kaum vorhalten, dass er sich an eine Rechtsauffassung hielt, die auch das Kanzleramt teilte.

Man sieht, es gibt hier wesentlich mehr Fragen als Antworten. Zusammenfassend kann ich wiederholen, dass ich bisher anhand der öffentlich bekannten Fakten kein Fehlverhalten des BND erkennen konnte, das personelle Konsequenzen rechtfertigen würde. Auf der anderen Seite nehme ich es aber schon ernst, wenn ein Mann wie Clemens Binninger sagt, Teile des BND hätten "ein Eigenleben entwickelt".

Nur muss man sich jetzt noch einmal zurückversetzen, was bei der Einrichtung des NSAUA alles im Raum stand: Massen- oder gar "Totalüberwachung", Geheimdienste außer Rand und Band, die wild untereinander Daten tauschen, Industriespionage, usw. usf. Und was kam nun bisher (bestenfalls) heraus: Dass der BND ein paar Selektoren nutzte, die er nicht hätten nutzen dürfen. Bisschen dürftig, nicht?

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