Warum der BGH den Antrag auf eine Vernehmung von Snowden in Deutschland ablehnen muss
(original gepostet 27.08.2016 auf Google+)
Die Opposition unternimmt einen neuen Anlauf, eine Zeugenvernehmung von Ed Snowden auf deutschem Boden zu erklagen, diesmal vor dem BGH. Ein erster Versuch vor dem BVerfG scheiterte, da sich dieses als nicht zuständig betrachtete. Bei Klagen vor dem BVerfG hat man die Möglichkeit, als unbeteiligter Dritter (“amicus curiae”) Stellungnahmen einzureichen, und das hatte ich damals auch getan[1]. Der BGH bietet eine derartige Möglichkeit mW nicht.
Deshalb bleibt mir in dem Fall nur die Möglichkeit, meine Argumentation hier zu veröffentlichen, in der Hoffnung dass sie gelesen wird und bei der Entscheidungsfindung hilft.
Alle meine Punkte in der damaligen Stellungnahme[1] sind heute noch genauso zutreffend wie damals. Aber es gibt auch einige sehr interessante neue Erkenntnisse. Und die betreffen vor allem eine Frage, auf die sich mE die Bundesregierung fokussieren sollte: “Wie geeignet ist Ed Snowden als Zeuge?”
Die Opposition spielt diese Frage herunter, argumentiert man solle ihn doch erst mal herholen, und dann wird man schon sehen was er zu sagen hat. Bei jedem “normalen” Fall wäre das sicherlich richtig, aber so einen Fall haben wir hier nicht: Sollte Deutschland Snowden Asyl oder auch nur freies Geleit gewähren, dann würde dies das deutsch-amerikanische Verhältnis empfindlich beschädigen. Man muss hierzu nur wissen, dass die USA Snowden nicht als “Whistleblower” betrachten, sondern als Verräter und Überläufer, der eben keine illegalen Aktivitäten oder Fehlverhalten der NSA aufdecken konnte (und hier sind die Argumente der Amerikaner sicherlich nicht schlechter als die der deutschen Snowden-Freunde).
Der BGH wird also, wenn er verantwortungsvoll entscheidet, sehr genau abwägen: Was kann man von einer Zeugenaussage Snowden erwarten? Kann er behilflich sein bei der Aufklärung der behaupteten illegalen Aktivitäten der NSA in Deutschland? Oder andersherum gesagt: Darf es möglich sein, dass mit einem freien Geleit für Snowden das deutsch-amerikanische Verhältnis zerdeppert wird, und man dafür höchstwahrscheinlich von ihm als “Gegenleistung” nur ein paar lauwarme Dampfplaudereien bekommt?
Und genau zu dieser Frage gibt es neue Erkenntnisse. Über meine in[1] erläuterten Gründe heraus, warum Snowden höchstwahrscheinlich als Zeuge ungeeignet ist -- und diese Gründe sind allesamt immer noch zutreffend --, haben wir durch zwischenzeitlich deklassifizierte interne NSA-Dokumente[2] einen genaueren Einblick in das Tätigkeitsfeld Snowden's innerhalb der NSA. Und diese zeigen, dass es zu Snowden’s Aufgaben zählte -- zumindest bis Ende August 2012, also ca. 9 Monate vor seiner Flucht -- Supportanfragen von Endbenutzern zu Microsoft Word zu beantworten (siehe z. B. den Screenshot hier[3]). Man kann es als ausgeschlossen betrachten, dass jemand in einer solchen Position persönliche Einblicke in die Spionagetätigkeiten der NSA hatte.
Ebenfalls geht auch aus den Dokumenten hervor, dass Snowden in seinen letzten beiden Monaten vor seiner Flucht ein “analyst-in-training” war. Auch wenn diese neue Tätigkeit einer Anforderung an einen geeigneten Zeugen etwas näher kommt, so kann man auch hier ausschließen, dass er in dieser kurzen Zeit für die Aufklärung im “NSA-Untersuchungsausschuss” hilfreiche Beobachtungen machte. Von einem geeigneten Zeugen sollte man eine mehrjährige Berufserfahrung als Analyst erwarten, nicht nur zwei Monate in der Ausbildung. Darüber hinaus nahm Snowden nach eigenen Worten[4] diese neue Tätigkeit nur deshalb an, um Zugriff auf noch mehr Dokumente zu haben. Seine Entscheidung, mit geheimen Dokumenten an die Öffentlichkeit zu gehen, war also lange vorher schon gefallen, und dadurch kann man davon ausgehen, dass er auch in seinen zwei Monaten als “analyst-in-training” nur das sah, was er sehen wollte, und damit ungeeignet als Zeuge ist.
Update: Ein weiteres interessantes Dokument ist dieses[5], in dem ein NSA-Mitarbeiter die Aussage macht "Give Snowden's track record of truth telling we should prepared that he could produce falsified e-mails". Man hört ja oft die Behauptung, die NSA hätte eigentlich alles zugegeben, was Snowden so sagte, und werfe ihm eigentlich nur den Verrat vor. Das Dokument belegt das Gegenteil, man hält Snowden ganz klar für einen Lügner, dem man sogar das Fälschen von Emails zutraut.
Abschließend sei auch bemerkt, dass der BGH zumindest in Betracht ziehen sollte, dass Snowden inzwischen in die Dienste des russischen Geheimdienstes übergelaufen ist. Diese Meinung vertreten nicht nur sehr viele Amerikaner, sondern auch der Chef des Bundesamts für Verfassungsschutz, Maaßen, und der ehemalige BND-Chef Schindler. Sollte dies zutreffend sein, so kann ausgeschlossen werden, dass Russland überhaupt eine Ausreise von Snowden zulassen wird. Das deutsch-amerikanische Verhältnis aber wird alleine schon dadurch erschüttert, dass man Snowden auch nur nach Deutschland einlädt. In diesem Fall hätte man als “Gegenleistung” also nicht nur eine schlechte Zeugenaussage, sondern überhaupt keine.
Zusammengefasst heißt das, es gibt nur eine vernünftige Vorgehensweise, und das ist die von der Bundesregierung angestrebte: Eine Delegation des "NSA-Untersuchungsausschuss" fährt nach Moskau und macht eine erste Befragung mit Snowden. Dabei kann ihm auf den Zahn gefühlt werden, was er weiß, und wieviel seine Aussage wert ist. Sollte sich heraus stellen -- was ich für ausgeschlossen halte --, dass er tatsächlich ein wichtiger Zeuge ist, der aber nur in Berlin vollumfänglich "auspacken" will, dann kann man es sich ja immer noch überlegen, ob einem das den Krach mit den USA wert ist. Aber vorher nicht. Vorher ist Snowden in der Bringpflicht. Denn bisher geht er sämtlichen kritischen Fragen aus dem Weg (es ist pure Realsatire, dass Snowden's bisher härtestes Interview ausgerechnet mit Komiker John Oliver war).
[1] https://plus.google.com/+RolfWeber/posts/49U9PwMtyVn
[2] https://news.vice.com/article/edward-snowden-leaks-tried-to-tell-nsa-about-surveillance-concerns-exclusive
[3] https://twitter.com/twrweb/status/760798090215428096
[4] http://m.scmp.com/news/hong-kong/article/1268209/snowden-sought-booz-allen-job-gather-evidence-nsa-surveillance
[5] https://twitter.com/twrweb/status/771435360362622978
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