Samstag, 5. Oktober 2019

Was wäre, wenn … Merkel 2015 die Grenzen geschlossen hätte?
(original gepostet am 10.07.2018 auf Google+)


Seien wir ehrlich, der jüngste “Asylstreit” wurde nicht deshalb entfacht, da aktuelle Migrationszahlen alarmierend hoch wären. Die Zahlen sind stark rückläufig, egal wie man zählt. Es geht vielmehr darum, Merkel für die “Fehler bei der Flüchtlingskrise 2015” abzustrafen, oder wohlwollender analysiert dass sich dieser behauptete “Fehler” nicht wiederholt.

Was war dieser “Fehler”? Nicht, wie heute immer wieder behauptet wird, Merkel hätte die Grenzen geöffnet. Die waren offen. Ihr wird vorgehalten, sie hätte nicht das richtige getan, und zwar die Grenze zu schließen.

Jetzt, da wir durch die vielen Flüchtlinge eine angebliche Migrationskrise haben (ich bin viel eher der Meinung, dass wir die Situation bisher sehr gut meistern und im Großen und Ganzen alles im Griff ist, aber das ist hier nicht das Thema), ist es natürlich leicht, mit dem Finger auf die böse Merkel zu zeigen, aber sollten wir davor vielleicht nicht zuerst zu rekapitulieren versuchen, was wahrscheinlich passiert wäre, hätte Merkel 2015 die Grenzen tatsächlich geschlossen?

Was wäre dann wahrscheinlich passiert?

Zunächst, es hätte den “Flüchtlingsstrom” zunächst sicherlich gestoppt. Fast alle Flüchtlinge nutzten die gleichen Wege und Grenzen. Es gab Bilder im Fernsehen. Die Grenzpolizei hätte ein paar ausgewählte Grenzübergänge dicht machen können, und zumindest der Großteil wäre erst mal nicht nach Deutschland gekommen. Soweit erst mal so gut für die Merkel-Kritiker.

Als nächstes hätte dann wahrscheinlich alle anderen Länder auf der Route -- Österreich, Ungarn, Kroatien, Rumänien, … -- ihre Grenzen ebenfalls geschlossen. Es hätte einen “Rückstau” gegeben, und da man Menschen in Europa ja nicht einfach krepieren lassen kann, wären provisorische Flüchtlingslager entstanden.

Solche Flüchtlingslager sind niemals schön. Können sie nicht, auch nicht in Europa. Bilder leidender Menschen, leidender Kinder hätten sehr schnell unsere Nachrichten dominiert. Das wäre das erste Problem für Merkel geworden, hätte sie die Grenzen geschlossen. Eine humanitäre Katastrophe, jeden Tag in der Tagesschau.

Aber dabei wäre es ja nicht geblieben. Die Menschen in den Flüchtlingslagern hätten irgendwie versucht, irgendwie weiter zu kommen. Einige sicher mit Kriminalität, und damit lokale Probleme geschaffen. Andere mit illegaler Arbeit. Die meisten aber hätten wahrscheinlich versucht, weiterhin nach Deutschland zu kommen, dort wo man sie am wenigsten schikaniert hätte. Und mit der Zeit hätte sich auch herumgesprochen, dass die Grenzen innerhalb der EU kaum zu schützen sind, sie hätten Staatsgrenzen an verschiedenen Stellen zu Fuß überwunden, und dann innerhalb eines Landes mit öffentlichen Verkehrsmitteln.

Das hätte alles viel länger gedauert, aber ein Großteil der Flüchtlinge wäre ohnehin bei uns gelandet.

Und was die “große Politik” anbelangt, da wäre unter den europäischen Staaten ein Streit entbrochen über die Bilder leidender Flüchtlinge, über Strategien, über gegenseitige “Fehler”, über Grenzen, über Zuständigkeiten -- möglicherweise hätte das die EU zerbrochen.

Zusammengefasst: Hätte Merkel 2015 die Grenzen geschlossen, wäre höchstwahrscheinlich ein Großteil der Flüchtlinge dennoch früher oder später zu uns gekommen. Die meisten hätten dabei unnötig leiden müssen, möglicherweise würde man heute auch von einer humanitären Katastrophe sprechen. Und die EU wäre in eine schwere Krise geraten, vielleicht sogar daran zerbrochen.

Das alles war auch schon 2015 bekannt. Merkel kannte sicherlich diese Analysen. Sie hatte die Verantwortung, sie musste entscheiden, und sie konnte natürlich nicht aufgrund populistischer Traumtänzereien entscheiden. Sie musste anhand der Realität entscheiden. Und sie entschied das richtige. Ich bin auch überzeugt, dass Seehofer ganz ähnlich entschieden hätte, wäre er damals in der Verantwortung gewesen. Nur heute zugeben will er das nicht -- weil er unehrlich ist.

Es ist schon  interessant. Seit ich politisch denken kann, sind es bisher fast immer die “linken” im politischen Spektrum gewesen, die zu traumtänzerischen, illusorischen Positionen neigen. Aber in der Migrationsdebatte sind das eindeutig die “rechten”.

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